Die Saison nach dem Super Bowl Sieg

Als Super Bowl Sieger und mit dem Motto "run it back" starteten die Rams 2022 in eine neue Saison. Viele Erwartungen, viel Euphorie und viel Hype gingen mit dem Motto einher. Was folgte, war am Ende eine Saison, die auf ganzer Ebene enttäuschte. Man kann schon durchaus sagen, dass der 5-12 Record eine krachende Landung nach dem Super Bowl Sieg im Jahr zuvor war. Wie es dazu kommen konnte und welche Lehren die Rams (vielleicht, oder besser: hoffentlich) daraus ziehen, bleibt abzuwarten.

Die Offseason

Mit breiter Brust gingen die Rams in die Offseason. Spieler wie Von Miller, Darious Williams, Austin Corbett und Sebastian Joseph-Day wurden alle Free Agents. Das man nicht alle Spieler halten würde können, war schnell klar und das Gegenteil wäre pure Träumerei gewesen. Bei Von Miller hatten die Rams großes Interesse, ihm einen neuen Vertrag anzubieten. D as Front Office bot auch fleißig mit, konnte am Ende aber das Angebot der Bills nicht überbieten. Von Miller unterschrieb einen Sechsjahresvertrag für 120 Millionen Dollar. Ein Angebot, das die Rams hätten nicht machen können, ohne den ohnehin schon stark überspannten Bogen zum Brechen zu bringen. So verließ eine wichtige Stütze, die u.a. auch zum Super Bowl Sieg maßgeblich beitrug, die Rams. Spoiler (oder nach der Saison auch keiner mehr), diese Lücke haben die Rams weder mit einem Signing vom Free Agent Markt noch im Draft gefüllt.
Neben den Verlust von Von Miller wog auch das verdiente Retirement von Andrew Withworth schwer. Ein Mentor - auf und neben dem Feld - für viele junge Spieler. Dieser Faktor, aber natürlich auch die sportlichen Leistungen von Withworth sorgten auch in der O-Line Unit für eine große Lücke.
Doch die Rams hatten nicht nur Abgänge und wurden sogar selbst tätig. Mit WR Allen Robinson kam ein vielversprechender Receiver in den Kader. Das größte Aufsehen sorgte allerdings das Singing von LB Bobby Wagner. Wagner schloss sich also einer bereits namhaften Defense an.

Verletzungen

Wenn es einen roten Faden in dieser Saison gab, dann sind es die vielen Verletzungen. Vor allem in der O-Line gab es eine massive Flut an Verletzen. So viele Verletzte, dass die Rams den traurigen Rekord aufstellten, in 12 Saisonspielen 12 verschiedene Starting O-Lines aufs Feld geschickt zu haben. Bei all den anderen Rekorden der jüngsten Rams-Geschichte ist dieser sicher einer, auf den man gerne verzichtet hätte.
Die Gründe für diese Verletzungen sind schier unmöglich aufzuarbeiten. Ich kann an dieser Stelle nur mutmaßen. Ein Grund könnte sein das die Starter in der O-Line zum Season Opener gegen die Bills, von jetzt auf gleich auf Leistung sein mussten. Sean McVay pflegt die Tradition, seine Starter in den Pre-Season Games nicht spielen zu lassen. Gerade für O-Liner ist es schwer, von jetzt auf gleich los legen zu können. Auch ist es wichtig für die O-Line, dass sie zusammen spielen, sich einspielen und quasi ein eigemes kleines Team werden. Diese Routine kann man natürlich nicht erreichen, wenn immer wieder ein Puzzleteil fehlt und durch ein anderes ersetzt werden muss.
Im Laufe der Saison wurden die Fragen zunehmend mehr, was die Gründe für diese Verletzungen seien können. McVay antwortete, dass er zusammen mit Athletik Trainer Reggie Scott alle Abläufe, alle Trainingseinheiten und alle Regenerationsabläufe gepürft haben, und sie dort keine Auffälligkeiten feststellen konnten. Sie werden es aber weiter beobachten und gegenfalls anpassen.
Ob die Rams die letzten Jahre nur unverschämt viel Glück hatten, so wenig Verletzte zu haben oder es dieses Jahr einfach nur Pech war, die Antwort liegt vermutlich irgendwo in der Mitte. Man kann also nur beten, dass es in der neuen Saison nicht wieder völlig aus dem Ruder läuft.

Baker Mayfield

Was nehmen wir und vor allem die Rams aus dem Kapitel Baker Mayfield mit? Nun, eines hat das Singing von Baker Mayfield gezeigt, die Rams brauchen einen Back Up Quarterback, John Wolford und Bryce Perkins sind nicht die Lösung.
Könnte Baker Mayfield selbst die Lösung sein? Ich sage Ja. Er hat gezeigt das er unter Sean McVay an alle Zeiten anknüpfen kann. Er hat aber auch leider gezeigt, dass es durchaus Gründe gab, warum es bei den Browns oder Panthers nicht für ihn gereicht hat.
Baker Mayfield gab den Rams so etwas wie Hoffnung, als er via Waiver Claim zum Team stieß. Der eigentliche Rams Starting Quarterback, Matthew Stafford - verletzt. Bryce Perkins und John Wolford - in ihrer Leistung limitiert. Der Football der Rams zu diesem Zeitpunkt - schlecht. Die Hoffnung, die allgemein Baker Mayfield und speziell der Last-Second-Sieg gegen die Raiders zu diesem Zeitpunkt also gaben, war, den Rams-Football etwas erträglich zu machen, vielleicht sogar ein Stück schöner. Dass Mayfield nicht der gewünschte Messias war, sollte klar sein, denn auch ein Mayfield kann an den Verletzungen nichts ändern.
Mayfield hatte einen grandiosen Game Winning Drive gegen die Raiders und an Weihnachten schenkte er den Rams Fans einen Blow Out Sieg gegen die Broncos. Darauf folgten zwei nicht gute Spiele gegen die Chargers und die Seahawks, welche auch verloren wurden.
Wenn die Umstände es möglich machen und sogar erfordern, hätten die Rams ihren Backup Quarterback gefunden. Ob es am Ende zu mehr reichen kann, muss eine erneute Analyse nach einer weiteren Saison mit Sean McVay als Headcoach zeigen. Wenn ihn kein anderes Team unter Vertrag nimmt, wären die Rams gut beraten, Mayfield erneut unter Vertrag zu nehmen.

Sean McVay

Was das für eine Saison für Sean McVay gewesen sein muss, können wir Fans nur einem kleinen Teil erahnen.
Im Rausch der Feierlichkeiten zum gewonnen Super Bowl und der Hochzeit des Trainers platzen die Nachrichten aus der Heimat wie eine Bombe in die Partystimmung: Veronika, Sean McVays Frau, ist Ukrainerin und hat Familie in dem Land, das Anfang 2022 angegriffen wurde und bis heute wird. Für die McVays ist das mit Sicherheit keine leichte Zeit. Auch nicht leicht war es, dass Seans Großvater, John McVay, während der Saison verstorben ist. Ein wichtiger Mensch im Leben von Sean. Ein Mensch, der ihm viel über Football beigebracht hat und ihm vor allem eine wichtige Tugend in der turbulenten NFL mitgegeben hat, Menschlichkeit.
McVay ist, zumindest in meiner Wahrnehmung, der erste NFL Coach, der so offen über Burnout als Headcoach in der NFL gesprochen hat. Dass es zu eben diesem Status Quo gekommen ist, liegt aber in erster Linie an McVay selbst. Er liebt Football, er denkt Football, er ist Football. McVay ist ein Workaholic, er arbeitet immer daran, sich und sein Team zu verbessern.
In einer Saison, in der alles gegen einen läuft und es schier unmöglich ist, dagegen zu steuern, ist es nur noch frustrierender und brennt einen Coach, der nur schwer Aufgaben abgeben kann, in einem unglaublichen Tempo aus. Das, was die Rams diese Saison gespielt haben, liegt aber auch an McVay. Das Playcalling war oft fraglich und in gewissen Situationen war es schon klar, welcher Spielzug als nächstes kommen wird. Er muss sich neu erfinden und neue Impulse setzen. Neben der sportlichen Krise sind die privaten Sorgen nur weiteres Brennmaterial gewesen.
Deswegen war es sein gutes Recht und vor allem keine Überraschung, das er sich nach der Saison Zeit nehmen wollte, vielleicht auch musste, um darüber nachzudenken, wie er weiter machen möchte. Die Entscheidung kam schneller als von vielen erwartet.
Sein Ehrgeiz, sein Football-IQ und seine Menschlichkeit werden auch in der nächsten Saison wieder auf die Probe gestellt. Schafft es McVay, seine Work-Life-Balance zu verbessern und Aufgaben abzugeben oder brennt er sich selbst weiter aus? Diese Frage kann und wird er nur alleine beantworten können, wenn er es schafft, wird er noch lange Headcoach sein, im besten Fall der der Los Angeles Rams.

Draft(glück)

Ein Fakt den man leider nicht von der Hand weisen kann, ist, dass den Rams ein wenig das Draftglück vorhanden gegangen ist. Ein wichtiger Bestandteil des Les Snead'schen Mottos "Fuck them Picks" ist es, dass die Picks in den späten Runden für ausreichend Depth sorgen und im besten Fall daraus sogar Starter heraus gehen. Seitdem der ehemalige Rams-Chefscout Brad Holmes (als GM zu den Detroit Lions) nicht mehr im Scouting-Prozess dabei ist, ist ein gewisser Trend zu erkennen. Das ist wahrscheinlich nur ein Teil der Wahrheit. Der andere ist, dass die Rams in dieser Saison ganze vier Spieler aus den Draftklassen 2020 und 2021 entlassen haben. Zugegeben, LB Chris Garrett wurde schon im August gewaived. S Terrell Burgess, EDGE Terrell Lewis und der dauerverletzte RB Jake Funk wurden während der Saison entlassen. Safety, EDGE und Running Back sind durchaus Positionen auf denen die Rams Depth brauchen bzw. Impact Spieler benötigen.
Ob die Rams nun falsch gescoutet haben, die Spieler sich nicht in die gewünschte Richtung entwickelt haben, oder es persönliche Gründe waren, sind Spekulationen. Was aber bleibt, ist, dass die Rams mit ihren wenigen Picks in den späten Runden wieder ihre Spieler finden müssen, die sie entwickeln können, so dass diese auch eine Starter-Rolle einnehmen können.

Fazit

Was bleibt nun am Ende einer Saison, die weit hinter den Erwartungen liegt? Aus sportlicher Sicht konnte es kaum schlechter laufen. Für das Teamgefüge kann so eine Saison trotzdem etwas Gutes sein. Bei all den schlechten Spielen haben die Rams-Spieler trotzdem immer vollen Einsatz gezeigt, auch als es schon rechnerisch nicht mehr für die Playoffs reichte. Besonders bemerkenswert fand ich, dass die verletzten Cooper Kupp und Matthew Stafford dauerhaft an der Seitenlinie waren und die Spieler mit coachten und ihnen wertvolle Tipps gaben.
Die Verletztenseuche reicht für die nächsten fünf Jahre, so ein Jahr wünscht sich keiner mehr. Ob dies nun Prozesse im Training, beim Warm Up oder in der Regeneration ändern wird, werden wir vermutlich nicht erfahren. Aber so hart das klingen mag, vielleicht war es nötig, um Prozesse, die seit Jahren gut laufen doch wieder neu zu sortieren und aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten.
Auch die Rams werden in der neuen Saison wieder von einem neuem Blickwinkel betrachtet werden. Die Bürde des Super Bowl Champions ist weg, auch das Team mit dem negativen Rekord ist nicht mehr. Wenn das Rams Front Office ihre Aufgaben in der Offseason gut angeht, vielleicht haben wir dann ein weiteres neues und erfolgreiches Kapitel in der Ära der Los Angeles Rams.

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